La Datscha Bungalow der Herzen

LA DATSCHA

BUNGALOW DER HERZEN


JUNI 2018

Produkt eurer Ignoranz

Am 26.09.2008 wurde die ehemalige „Villa Wildwuchs“ einer neuen Bestimmung zugeführt. Anstatt durch die Preußische Stiftung einverleibt und in eine von Lebensfreude befreite Pufferzone und eventuellen betonierten Parkplatz umgewandelt zu werden, steht „la datscha“ nun für einen selbstorganisierten, unkommerziellen Projektraum, fern jeglicher Konsumment*innenmentalität, als Gegenstück zur städtischen Politik der Verdrängung und Privatisierung. Von der Stadt eigentlich zum Abriss freigegeben, bietet la datscha nun zahlreiche Optionen für die Bewohner*innen der angrenzenden Stadtteile. Über Sport-, Spiel- und Gartenflächen bis hin zu selbstbestimmten Bildungs- und Kulturangeboten, liegen die Möglichkeiten für alle Altersstufen offen und werden von bestehenden und zukünftigen Nutzer*innen eigenständig entschieden und gestaltet.

Nach fast 10 Jahren hat sich an diesem, kurz nach der Besetzung von den damaligen Nutzer*innen entwickelten Selbstverständnis, nicht viel geändert. Auch heute noch baut das Haus auf selbstorganisiertes und eigenverantwortliches Handeln als Gegenentwurf zu herrschenden Verhältnissen. Es ist ein guter Zeitpunkt für einen kleinen Rückblick rund um das Häuschen am Potsdamer Havelstrand – Am Babelsberger Park 15.

Geschichtliches

Zum Zeitpunkt der Besetzung wurde in Potsdam mal wieder um die Schließung bzw. den Erhalt von alternativen und linken Projekten wie dem „Archiv“ und dem „Spartacus“ gekämpft. Ursprünglich war sie als kurze und direkte Aktion geplant, um sich solidarisch mit bedrohten selbstverwalteten Projekten zu zeigen und als politisches Statement gegen die weltweite kapitalistische Verwertungslogik gemeint. Wir hätten nicht gedacht, dass wir all zu lange im Haus geduldet werden würden. Denn auch Potsdam war und ist für seine eher stringente Haltung gegenüber Neubesetzungen bekannt, wie andere Besetzungsaktionen in der Stadt (u.a. in der Skaterhalle oder der Stiftstraße) immer wieder deutlich machten. Aber manchmal kommt es anders und wir sind immer noch da.

Die Stadt Potsdam versuchte mehrmals über die Hintertür den Betrieb der datscha zu beeinträchtigen. Die Drohung das Wasser abzustellen war ein solcher Versuch. Dieser scheiterte nicht zuletzt auch wegen der Unterstützung der vielen Nutzer*innen der datscha.

Vor drei Jahren machten sich immer wieder Gerüchte breit, dass hinter verschlossenen Türen Verhandlungen der Stadt mit der „Stiftung Preußische Schlösser und Gärten“ (SPSG) laufen, die im Endeffekt ein Weiterbestehen der datscha massiv gefährdet hätten. Doch wir wollten nicht abwarten oder nur auf Gerüchte vertrauen. Stattdessen haben wir mit verschiedenen Aktionen, die in einer unangemeldeten Demo durch Babelsberg mündeten, gezeigt, dass wir aufmerksam sind und uns nicht einfach wegstreichen lassen. Uns ist bewusst, dass es für die Stadt nicht angenehm ist solch eine datscha zu haben, auch wenn sie uns im Moment noch toleriert. Deshalb werden wir weiterhin wachsam die Stimmung in der Stadt beobachten, um nicht nur zu reagieren, sondern auch zu agieren.

Und wir agieren nicht nur wenn es um die datscha geht, denn die Lebens- und Wohnsituation in Potsdam ist und bleibt weiterhin, aufgrund der kapitalistischen Verwertung von Stadt- und Wohnraum und den damit steigenden Mieten, angespannt. Daher mischt sich die datscha immer wieder in die Diskussionen rund um die Themen Freiräume, Mieten oder Gentrifizierung ein und beteiligte sich aktiv an Kampagnen und Demonstrationen für den Erhalt von selbstverwalteten Hausprojekten und bezahlbaren Wohnraum oder besser: „Miete verweigern, Kündigung ins Klo, Häuser besetzen sowieso!“ :).

Vor dem eigenen Gartentor hat sich die datscha gemeinsam mit dem Kinderfußballverein SV Concordia Nowawes 06 die umliegenden Wiesen für Frühlingsfeste angeeignet, bespielt und belebt.

Darüber hinaus wurde im Rahmen eines Workshops aller interessierter Nutzer*innen und Stadtbewohner*innen ein Nutzungsplan für den Grünstreifen zwischen Schnellstraße, Park Babelsberg und der datscha, mittlerweile auch bekannt als „Nowawiese“, ausgearbeitet und den Verantwortlichen der Stadt überreicht. Dieser Plan beinhaltete unter anderem einen Fußballplatz, einen Hundeauslaufplatz, eine Freizeitwiese sowie verschiedenste Sportmöglichkeiten über Volleyball, Basketball oder Tischtennis. Leider gab es seitens der Stadt nur mäßiges Interesse bezüglich der Umsetzung des Konzeptes. Der Grünstreifen wurde im Bebauungsplan der Stadt lediglich zu einer Sport- und Freizeitfläche umgewidmet. Concordia Nowawes musste lange für den Fußballplatz kämpfen und der Hundeausflaufplatz wurde verlegt und stark verkleinert. Weder tätigte die Stadt weitere Investitionen, noch werden Eigeninitiativen geduldet.

Was ist in der datscha los?

Im Haus haben sich über die fast 10 Jahre hinweg verschiedene Projekte entwickelt und es bietet einer Vielzahl unterschiedlicher Menschen ein kollektives Wohnzimmer. Dabei bilden ein gut sortierter Umsonstladen, ein gemeinschaftlich genutzter Garten, eine regelmäßige Volxküche, ein Volleyballplatz, ein Havelstrand und die Selbsthilfe-Fahrradwerkstatt einen ständigen Rahmen. Darüber hinaus bietet die datscha aber auch Raum für verschiedenste Veranstaltungen, wie Vorlesungen, Infoabende, Filmabende, Konzerte oder Solipartys für emanzipatorische politische Projekte. Neben politischen Veranstaltungen ist es uns hierbei wichtig, dass in der datscha auch Partys und Konzerte stattfinden können, welche als (sub-)kulturelle Veranstaltungen nicht nur in politische Strukturen eingebunden sind, sondern auch im Sinne einer Gegenkultur zur kommerziellen Unterhaltungskultur etabliert werden. Kurzum ist und bleibt die datscha ein lebendiger, unabhängiger, unkommerzieller und generationsübergreifender Ort, sowohl für Diskussion und Austausch, als auch für gemeinsame Erholung und Feste.

Aber auch wenn der Name es vermuten lässt, sind wir weder ein Erholungsheim, noch ein Schrebergartenverein. Was die datscha jetzt letztendlich ist, wie sie funktioniert und welchen Kurs wir einschlagen, sollen alle, die das Projekt regelmäßig nutzen, gemeinsam bestimmen. Und da immer wieder neue Leute dazu kommen und andere irgendwann weggehen, befinden wir uns ständig in einem Aushandlungsprozess. Festgelegte Regeln und Dogmen führen nur zu unreflektiertem Handeln und verhindern die politische Emanzipation der oder des Einzelnen, weshalb wir diesen Aushandlungsprozess in basisdemokratischen Strukturen kultivieren. Wir verstehen das als Gegenentwurf zu den hierarchischen und diskriminierenden Gesellschaftsstrukturen, welche eine individuelle Freiheit und Emanzipation verhindern. Darum ist rassistisches, nationalistisches, sexistisches, homophobes und jegliches diskriminierende Verhalten in der datscha nicht vertretbar und wird von uns nicht toleriert. Dabei sehen wir hier alle, die das Haus nutzen, in der Mitverantwortung.

Außerdem versuchen wir auch immer wieder aufs Neue unsere Ideen von Alternativen zu kommerziellen Verwertungs- und Konkurrenzgesellschaft neu zu positionieren und umzusetzen. In der datscha verdient niemand etwas und alle unsere Veranstaltungen sind unkommerziell. Darüber hinaus schauen wir immer wieder über den Tellerrand und unterstützen sozial und politisch-emanzipatorische Projekte und Initiativen nicht nur hier in Potsdam, sondern überall in der Welt.

Dabei ist uns klar, dass auch die datscha Teil der gesellschaftlichen Strukturen ist, die wir zu überwinden versuchen. Wir sind Teil der Gesellschaft und haben uns dort einen Platz gesucht, den wir versuchen nach unseren Utopien zu gestalten, mit dem Bewusstsein, dass auch wir selbst nicht frei von gesellschaftlichen Zwängen sind. Wir agieren nicht im luftleeren Raum, sondern müssen jeden Tag die Zusammenhänge zwischen dem was ist, dem was wir wollen und dem, wer wir sind reflektieren.

 

Besetzt sein, besetzt bleiben – eine bewusste Entscheidung

Und wir werden weiterhin unsere Unverschämtheit kultivieren und besetzt bleiben. Da es der kapitalistischen Verwertungslogik widerspricht, vorhandene Ressourcen den Menschen einer Stadt zu übergeben, werden wir das wohl selbst erledigen müssen. Dass kollektive Aneignungspraktiken nicht nur legitim, sondern auch politisch umsetzbar sind, zeigt die datscha. Und auch darum werden wir an unserem Status bewusst nichts ändern und wollen Beispiel für andere Projekte sein. Wir sind Teil eines andauernden Kampfes gegen Verdrängung und Vertreibung. Wir versuchen jeden Tag aufs Neue, Wege zu finden und den HERRschenden gesellschaftlichen Konsens zu durchbrechen. Unser Weg der Machtinfragestellung durch die Besetzung ist dabei nur einer von vielen – Hausprojekte, Stadtteilinnis, Aktionsgruppen und vieles mehr sind andere und haben unsere Solidarität.

 

Wir wollen uns weiterhin autonom und selbstverwaltet organisieren und eigenverantwortlich handeln. Wir zahlen Strom und Wasser, eine weitere Einflussnahme durch die Stadtpolitik und -verwaltung werden wir verhindern.

Gegen Unterdrückung und finanzielle Ausbeutung sozialer Bedürfnisse!

Für eine befreite Gesellschaft ohne kapitalistische Zwänge und Hierarchien!

Häuser besetzen immer wieder!

VIVA la datscha!

ladatscha.blackblogs.org

ladatscha@riseup.net